Echtzer Chronik  bis 1972
 




Das Gerichtswesen zu Echtz

Das  Gerichtswesen  zu  Echtz

(Bearbeitung von Alfons  Paschen)

In den Zeiten von Kaiser Karl, also vor dem 9. Jh. fand alle sechs Wochen eine allgemeine Gerichtsversammlung statt, „Das echte Ding"  (zurückgehend auf die germanische Volksversammlung, das „Thing"), die der Graf als Richter und Vertreter des Königs abwechselnd in den verschiedenen Hundertschaften seines Gaues abhielt.

Daneben konnte der Graf jederzeit „Das gebotene Ding" einberufen, zu dem jeder Freie des Gaues erscheinen mußte.

Aus den Erschienenen, den „Dingleuten", suchte der Graf einige angesehene Männer aus die einen Urteilsvorschlag einzubringen hatten. Nahm die Gerichtsversammlung den Urteilsvorschlag an, so sprach der Graf das Urteil und vollstreckte es.

Die Pflicht, beim „Ding" zu erscheinen, war für die Freien höchst unangenehm, insbesondere dann, wenn der Graf das „Gebotene Ding" zu Zeiten einberief, die den Dingpflichtigen ungelegen kamen, z.B. während der Ernte. Die Dingpflichtigen konnten sich von der Dingpflicht freikaufen. Karl der Große erließ mehrere Verordnungen, die die Dingpflicht der Freien einschränkte. Seit  Anfang des 9. Jh. wurde „Das echte Ding", an dem die Freien teilnehmen mußten, nur noch dreimal im Jahr abgehalten. Leichte Rechtsfälle, die bis dahin regelmäßig beim „Gebotenen Ding" entschieden  worden waren  (Frevel, Schuldsachen, Fährnis), wurden jetzt vom Zentenar- oder Schultheißengericht behandelt, wobei der Zentenar (oder Schultheiß = Schuldheischer, Steuereintreiber) als Vertreter des Grafen fungierte. Dem Zentenargericht gehörten neben dem Zentenar noch 7 Schöffen an, die der Dingpflicht unterlagen und die dem Richter als Urteilsfinder zur Seite standen.

Bei den Zentenargerichten hat man häufig die gleichen Männer zu Schöffen bestimmt, so daß sich schon früh der Kreis der ständigen Urteiler zu einem Stand, dem Schöffenstand, entwickelte,  dem nur rechtschaffene, erfahrene und begüterte Männer angehören konnten. Die Wahl der Schöffen erfolgte durch den Grafen und die Volksversammlung. Später wählten die Schöffen neue Schöffen selbst.
Im wesentlichen sind diese Verhältnisse für die Freiherrlichkeit Merode zu vermuten. Echtz, als Hauptort der Freiherrlichkeit Merode, war der zuständige  Gerichtsort. Hier wurden die Thinge und die Grafengerichte (echtes und gebotenes Ding) abgehalten, und in Echtz war auch das für die Herrschaft Merode zuständige Schöffengericht ansässig.

Dr. Domsta schreibt in seinem schon erwähnten Katalog zur Ausstellung "800 Jahre Schloß und Herrschaft Merode" (Seite 7 ff)  u.a.: ,,In den sieben Dörfern  der Herrschaft besaßen die Meroder die Hoch- und Niedergerichtsbarkeit. Schultheiß und Schöffen von Echtz, 1341 erstmals erwähnt, waren bis zur Französischen Revolution für die gesamte Herrschaft zuständig, und zwar sowohl für Strafprozesse als für die Zivilprozesse. Sie waren „richter ind scheffen des gemeynen lantz van Merode“ und bildeten „dat Gericht der heirlicheit van Merode“. Sie konnten Leibesstrafen bis hin zur Todesstrafe verhängen. Daneben bestanden weitere Gerichte mit sachenrechtlichen Befugnissen in  Schlich, Geich und Merode.

Berufungen gingen an den Königlichen Oberhof in Aachen und von dort in der letzten Instanz weiter an das Reichskammergericht in Speyer bzw. später in Wetzlar. In diesem Instanzenzug  spiegelt sich  die  ursprüngliche Zugehörigkeit der Herrschaft Merode zum Reichsgut. Etwa seit dem 17. Jahrhundert hat man offenbar Delinquenten auf dem Schloß in den noch vorhandenen beiden Kerkerzellen im großen Turm unter der Kapelle untergebracht. Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts versuchte dann Jülich, die Merodische Gerichtsbarkeit einzuschränken, was aber nur teilweise gelang. In der Ausstellung "800 Jahre Schloß und Herrschaft Merode" wurde auch das Protokollbuch des Schöffengerichts zu Echtz, 1564-1570,  gezeigt:

„Gerichtz Buch dess Gerichts zu Echtz im Lanndt  Meroedt, Anno salutis humani Generis 1564 28 Septembris per me Joannem Heutt juratum schribam ibidem inceptum" (Angelegt im Jahre des Heils 1564 am 28. September von mir, Johannes Heutt, vereidigtem Gerichtsschreiber daselbst). Von Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit zeugt u. a. eine Urkunde aus dem Jahre 1396, die im Stadtarchiv Düsseldorf aufbewahrt wird. In dieser Urkunde heißt es:
"Februar der 2. (1396): Wilhelm van der Wyden und Neesa, sein elig Weib, verkaufen dem Probst und den Jungfrauen des Gotteshauses Wenau zwei Malter Roggen erblicher Gulden Dürener Maßen."

Die  Urkunde  ist  unterzeichnet von
"Junker Johann  von  Eichtz  und  Johann  Eynenberg"
und trägt zwei anhängende Siegel, das eine: ein Querbalken  (=  Echtzer Siegel); das andere: ein Schrägbalken, begleitet von Sternen (Siegel von Eynenberg).
Aus der Urkunde ergibt sich, daß man damals - wie heute - wichtige Verträge schriftlich niederlegte und von einer siegelführenden Stelle formal bestätigen ließ, damit das abgeschlossene Geschäft rechtskräftig und unanfechtbar wurde.

Von  einem  Schöffengericht zeugt eine ebenfalls im Staatsarchiv Düsseldorf aufbewahrte Originalurkunde. Sie stammt vom 13.  Mai 1492 und hat folgenden Inhalt:
"Arnold, Henckens Sohn, Kotzendorp (=  Konzendorf) und Heilcka, seine elige Hausfrau, erhalten vor Schultheiß und Schöffen zu Eichtze von der Frau Meisterin, Priorin, Subpriorin und dem gemeinen Konvent des Klosters St. Katharina zu Wenauwe (= Wenau) dessen Hof zu Cotsendorp, gelegen an der Kirch, mit Zubehör in Erbpacht und zwar so, wie sie den Hof von der Meisterin Margaretha von Kaelkom, von Priorin, Subpriorin und dem Konvent mit Einwilligung des Abts Reynhart von Oisskirchen (Euskirchen), ihres Visitators und Kommissarius, am  selben Tage erhalten haben."
Anschließend werden die einzelnen Ländereien spezifiziert.

Die  Urkunde  ist  unterzeichnet von
"Schultheiß  und  Richter:  Werner  von  Echtz
und den Schöffen: Hencken  Myck
                            Hennes  Sanftleven
                            Johan  Fluege
                            Meister  Hermann  Smyt
                            Werner  Scholtis
                            Johan  Keiser"

Bis zum 16. Jh., wahrscheinlich sogar bis zum Ende des 18. Jh. wurden  Prozesse aus der Herrschaft Merode, also auch aus Echtz, in 2. Instanz unmittelbar beim Aachener Oberhof anhängig gemacht. Der Aachener Oberhof stellte in der 2. Hälfte des 16. Jh. ein amtliches Verzeichnis der rechtsuchenden Orte, der Aachener Untergerichte, auf (um in einer Zeit, in der der Einfluß des Aachener Oberhofs bereits im Schwinden war, alte Rechte unter Beiweis zu stellen).

In  diesem  „amtlichen Verzeichnis"  heißt  es:
„Hernach folgen der stett, frey und herligkeiten, scheffen und lehngerichten, die ire appellationen und provocationen vor dem scheffenstuell des königlichen stuells und statt Aach als ire Kayss. appellation und provocation richteren und oberheufft anzubringen."

Unter den „frey und herligkeiten"  ist  unter Nr. 27 aufgeführt „Echss under Merode bei Dhuiren",
unter Nr.  48  findet sich „Merodt bei Dhuiren"
und unter Nr. 49 steht „Geich under Merode".

Obwohl  keine Zahlen bekannt sind, darf man annehmen, daß das Echtzer Schöffengericht recht viele Prozesse entschieden hat. Bekannt ist nämlich, daß von 1400 bis 1461 sechs Prozesse, von 1504 bis 1526 sogar 26 Prozesse des Echtzer Schöffengerichtes zum Aachener Oberhof gegangen und dort in  2. Instanz behandelt worden sind. Diese Zahlen erscheinen sehr hoch, wenn man bedenkt, daß die Einwohnerzahl der Herrschaft Merode im Vergleich zu heute gering war und man Straßenverkehrsdelikte, die heute in großer Zahl gerichtlich entschieden werden, nicht  kannte.

Aus einem Verzeichnis der Aachener Prozesse am Reichskammergericht ergibt sich, daß mindestens ein Prozeß, der 1531 in erster Instanz vor dem Schöffengericht Echtz anhängig gewesen ist, in letzter Instanz vom Reichs-Kammergericht entschieden worden ist. Es ging um einen Erbrechtsstreit, um die „Verlassenschaft des Johann Kozzendorf und der Bele Kaiser", um die sich „Pingen von Merken, Korstgen, (Echtz)  und cons., (Merken)"  mit „Johann Merzenich u. cons., (Düren)"  stritten.

Der Name Echtz tauchte in der Akten des Reichskammergerichts häufiger auf, weil eine Familie mit dem Namen „von Echtz" aus Birkesdorf mit allein vier Prozessen vor diesem höchsten Gericht, sehr streitlustig gewesen zu sein scheint:

1517 stritten sich dort „Johann von Heimbach, Wilhelm von Echtz u. cons. (Birkesdorf) gegen Maria Klöckers Erben (Aachen und Burtscheid)" um die "Theilung des Nachlasses der Maria Klöcker". Der Prozeß hatte in 1. Instanz vor dem Schöffengericht Düren begonnen.

Derselbe Wilhelm von Echtz stritt 1518 vor dem höchsten Gericht gegen „Johann  Meghart  (Zierh, Niederzier Kr. Düren) und Peter von Kochheyen (Düren)" um die "Herausgabe aller von Orlof v. Hembach nachgelassenen Güter als dessen Intestaterben". Dieser Prozeß war in 1. Instanz vor dem Schöffengericht Düren, in 2. Instanz vor dem Schöffengericht Aachen anhängig gewesen. Auch 1543 prozessierte Wilhelm von Echtz vor dem Reichskammergericht, diesmal gegen „Adam Vorst, Düren". Worum es in diesem Prozeß ging, ist nicht ersichtlich.

Der streitlustige Wilhelm von Echtz muß zu dieser Zeit schon betagt gewesen und gegen Mitte des 16. Jh  gestorben sein, denn 1550 tritt  sein Sohn „Franz von Echtz als Erbe des Wilhelm von Echtz, (Birkesdorf)" als Kläger vor dem Reichskammergericht auf. Der Sohn hat die Prozeßfreudigkeit von seinem Vater geerbt. Franz von Echtz klagt gegen „Catharina Clöcker, Witwe des Johann J. Clöcker auf Zahlung der Gülten aus einem auf den Schatz zu Pier sprechenden Rent-Brief mit jährlich 33  Fl  (=  Gulden)  aufgrund des Testaments ihres Ehemannes".

Zwei weitere Mitglieder dieser Familie, "Walter und Johann von Echtz u. cons  als Erben des Peter Scholtiss"  klagen 1563 beim Reichskammergericht gegen „Bernhard von Meirode, genannt Wahraus (Schloß Stockem)"  wegen einer „Erbstreitigkeit über die im Lande Jülich belegene Nachlass-Stücke". Der Prozeß war in der 2. Instanz beim Schöffengericht Aachen anhängig gewesen.


Verwendete  Literatur:

L.  Freiin  von  Coels:  Die  Aachener  Schöffen,  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichtsvereins,  Bd.  50,  S.  13- 17

Schwabe: Der Aachener Oberhof, Zeitschrift der Aachener Geschichtsvereins, Bd.  48/49, S.  72,  74

Veltmann:  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichtsvereins,  Bd.  18,  S.  139,  178; Bd.  20,  S.  51 



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