Das Gerichtswesen zu Echtz
(Bearbeitung von Alfons Paschen)
In den Zeiten von Kaiser Karl, also vor dem 9. Jh. fand alle sechs
Wochen eine allgemeine Gerichtsversammlung statt, „Das echte
Ding" (zurückgehend auf die germanische
Volksversammlung, das „Thing"), die der Graf als Richter und
Vertreter des Königs abwechselnd in den verschiedenen
Hundertschaften seines Gaues abhielt.
Daneben konnte der Graf jederzeit „Das gebotene Ding"
einberufen, zu dem jeder Freie des Gaues erscheinen mußte.
Aus den Erschienenen, den „Dingleuten", suchte der Graf
einige angesehene Männer aus die einen Urteilsvorschlag
einzubringen hatten. Nahm die Gerichtsversammlung den Urteilsvorschlag
an, so sprach der Graf das Urteil und vollstreckte es.
Die Pflicht, beim „Ding" zu erscheinen, war für die
Freien höchst unangenehm, insbesondere dann, wenn der Graf das
„Gebotene Ding" zu Zeiten einberief, die den Dingpflichtigen
ungelegen kamen, z.B. während der Ernte. Die Dingpflichtigen
konnten sich von der Dingpflicht freikaufen. Karl der Große
erließ mehrere Verordnungen, die die Dingpflicht der Freien
einschränkte. Seit Anfang des 9. Jh. wurde
„Das echte Ding", an dem die Freien teilnehmen
mußten, nur noch dreimal im Jahr abgehalten. Leichte
Rechtsfälle, die bis dahin regelmäßig beim
„Gebotenen Ding" entschieden worden waren
(Frevel, Schuldsachen, Fährnis), wurden jetzt vom Zentenar-
oder Schultheißengericht behandelt, wobei der Zentenar (oder
Schultheiß = Schuldheischer, Steuereintreiber) als Vertreter
des Grafen fungierte. Dem Zentenargericht gehörten neben dem
Zentenar noch 7 Schöffen an, die der Dingpflicht unterlagen
und die dem Richter als Urteilsfinder zur Seite standen.
Bei den Zentenargerichten hat man häufig die gleichen
Männer zu Schöffen bestimmt, so daß sich
schon früh der Kreis der ständigen Urteiler zu einem
Stand, dem Schöffenstand, entwickelte, dem nur
rechtschaffene, erfahrene und begüterte Männer
angehören konnten. Die Wahl der Schöffen erfolgte
durch den Grafen und die Volksversammlung. Später
wählten die Schöffen neue Schöffen selbst.
Im wesentlichen sind diese Verhältnisse für die
Freiherrlichkeit Merode zu vermuten. Echtz, als Hauptort der
Freiherrlichkeit Merode, war der zuständige
Gerichtsort. Hier wurden die Thinge und die Grafengerichte (echtes und
gebotenes Ding) abgehalten, und in Echtz war auch das für die
Herrschaft Merode zuständige Schöffengericht
ansässig.
Dr. Domsta schreibt in seinem schon erwähnten Katalog zur
Ausstellung "800 Jahre Schloß und Herrschaft Merode" (Seite 7
ff) u.a.: ,,In den sieben Dörfern der
Herrschaft besaßen die Meroder die Hoch- und
Niedergerichtsbarkeit. Schultheiß und Schöffen von
Echtz, 1341 erstmals erwähnt, waren bis zur
Französischen Revolution für die gesamte Herrschaft
zuständig, und zwar sowohl für Strafprozesse als
für die Zivilprozesse. Sie waren „richter ind
scheffen des gemeynen lantz van Merode“ und bildeten
„dat Gericht der heirlicheit van Merode“. Sie
konnten Leibesstrafen bis hin zur Todesstrafe verhängen.
Daneben bestanden weitere Gerichte mit sachenrechtlichen Befugnissen
in Schlich, Geich und Merode.
Berufungen gingen an den Königlichen Oberhof in Aachen und von
dort in der letzten Instanz weiter an das Reichskammergericht
in Speyer bzw. später in Wetzlar. In diesem
Instanzenzug spiegelt sich die
ursprüngliche Zugehörigkeit der Herrschaft Merode zum
Reichsgut. Etwa seit dem 17. Jahrhundert hat man offenbar Delinquenten
auf dem Schloß in den noch vorhandenen beiden Kerkerzellen im
großen Turm unter der Kapelle untergebracht. Seit der Mitte
des 16. Jahrhunderts versuchte dann Jülich, die Merodische
Gerichtsbarkeit einzuschränken, was aber nur teilweise gelang.
In der Ausstellung "800 Jahre Schloß und Herrschaft Merode"
wurde auch das Protokollbuch des Schöffengerichts zu Echtz,
1564-1570, gezeigt:
„Gerichtz Buch dess Gerichts zu Echtz im Lanndt
Meroedt, Anno salutis humani Generis 1564 28 Septembris per me Joannem
Heutt juratum schribam ibidem inceptum" (Angelegt im Jahre des Heils
1564 am 28. September von mir, Johannes Heutt, vereidigtem
Gerichtsschreiber daselbst). Von Handlungen der freiwilligen
Gerichtsbarkeit zeugt u. a. eine Urkunde aus dem Jahre 1396, die im
Stadtarchiv Düsseldorf aufbewahrt wird. In dieser Urkunde
heißt es:
"Februar der 2. (1396): Wilhelm van der Wyden und Neesa, sein elig
Weib, verkaufen dem Probst und den Jungfrauen des Gotteshauses Wenau
zwei Malter Roggen erblicher Gulden Dürener Maßen."
Die Urkunde ist unterzeichnet von
"Junker Johann von Eichtz und
Johann Eynenberg"
und trägt zwei anhängende Siegel, das eine: ein
Querbalken (= Echtzer Siegel); das andere: ein
Schrägbalken, begleitet von Sternen (Siegel von Eynenberg).
Aus der Urkunde ergibt sich, daß man damals - wie heute -
wichtige Verträge schriftlich niederlegte und von einer
siegelführenden Stelle formal bestätigen
ließ, damit das abgeschlossene Geschäft
rechtskräftig und unanfechtbar wurde.
Von einem Schöffengericht zeugt eine
ebenfalls im Staatsarchiv Düsseldorf aufbewahrte
Originalurkunde. Sie stammt vom 13. Mai 1492 und hat
folgenden Inhalt:
"Arnold, Henckens Sohn, Kotzendorp (= Konzendorf) und
Heilcka, seine elige Hausfrau, erhalten vor Schultheiß und
Schöffen zu Eichtze von der Frau Meisterin, Priorin,
Subpriorin und dem gemeinen Konvent des Klosters St. Katharina zu
Wenauwe (= Wenau) dessen Hof zu Cotsendorp, gelegen an der Kirch, mit
Zubehör in Erbpacht und zwar so, wie sie den Hof von der
Meisterin Margaretha von Kaelkom, von Priorin, Subpriorin und dem
Konvent mit Einwilligung des Abts Reynhart von Oisskirchen
(Euskirchen), ihres Visitators und Kommissarius, am selben
Tage erhalten haben."
Anschließend werden die einzelnen Ländereien
spezifiziert.
Die Urkunde ist unterzeichnet von
"Schultheiß
und Richter: Werner von Echtz
und den Schöffen: Hencken Myck
Hennes Sanftleven
Johan Fluege
Meister
Hermann Smyt
Werner
Scholtis
Johan Keiser"
Bis zum 16. Jh., wahrscheinlich sogar bis zum Ende des 18. Jh.
wurden Prozesse aus der Herrschaft Merode, also auch aus
Echtz, in 2. Instanz unmittelbar beim Aachener Oberhof
anhängig gemacht. Der Aachener Oberhof stellte in der 2.
Hälfte des 16. Jh. ein amtliches Verzeichnis der
rechtsuchenden Orte, der Aachener Untergerichte, auf (um in einer Zeit,
in der der Einfluß des Aachener Oberhofs bereits im Schwinden
war, alte Rechte unter Beiweis zu stellen).
In diesem „amtlichen
Verzeichnis" heißt es:
„Hernach folgen der stett, frey und herligkeiten, scheffen
und lehngerichten, die ire appellationen und provocationen vor dem
scheffenstuell des königlichen stuells und statt Aach als ire
Kayss. appellation und provocation richteren und oberheufft
anzubringen."
Unter den „frey und herligkeiten" ist
unter Nr. 27 aufgeführt „Echss under Merode bei
Dhuiren",
unter Nr. 48 findet sich „Merodt bei
Dhuiren"
und unter Nr. 49 steht „Geich under Merode".
Obwohl keine Zahlen bekannt sind, darf man annehmen,
daß das Echtzer Schöffengericht recht viele Prozesse
entschieden hat. Bekannt ist nämlich, daß von 1400
bis 1461 sechs Prozesse, von 1504 bis 1526 sogar 26 Prozesse des
Echtzer Schöffengerichtes zum Aachener Oberhof gegangen und
dort in 2. Instanz behandelt worden sind. Diese Zahlen
erscheinen sehr hoch, wenn man bedenkt, daß die Einwohnerzahl
der Herrschaft Merode im Vergleich zu heute gering war und man
Straßenverkehrsdelikte, die heute in großer Zahl
gerichtlich entschieden werden, nicht kannte.
Aus einem Verzeichnis der Aachener Prozesse am Reichskammergericht
ergibt sich, daß mindestens ein Prozeß, der 1531 in
erster Instanz vor dem Schöffengericht Echtz anhängig
gewesen ist, in letzter Instanz vom Reichs-Kammergericht entschieden
worden ist. Es ging um einen Erbrechtsstreit, um die
„Verlassenschaft des Johann Kozzendorf und der Bele Kaiser",
um die sich „Pingen von Merken, Korstgen, (Echtz)
und cons., (Merken)" mit „Johann Merzenich u.
cons., (Düren)" stritten.
Der Name Echtz tauchte in der Akten des Reichskammergerichts
häufiger auf, weil eine Familie mit dem Namen „von
Echtz" aus Birkesdorf mit allein vier Prozessen vor diesem
höchsten Gericht, sehr streitlustig gewesen zu sein scheint:
1517 stritten sich dort „Johann von Heimbach, Wilhelm von
Echtz u. cons. (Birkesdorf) gegen Maria Klöckers Erben (Aachen
und Burtscheid)" um die "Theilung des Nachlasses der Maria
Klöcker". Der Prozeß hatte in 1. Instanz vor dem
Schöffengericht Düren begonnen.
Derselbe Wilhelm von Echtz stritt 1518 vor dem höchsten
Gericht gegen „Johann Meghart (Zierh,
Niederzier Kr. Düren) und Peter von Kochheyen
(Düren)" um die "Herausgabe aller von Orlof v. Hembach
nachgelassenen Güter als dessen Intestaterben". Dieser
Prozeß war in 1. Instanz vor dem Schöffengericht
Düren, in 2. Instanz vor dem Schöffengericht Aachen
anhängig gewesen. Auch 1543 prozessierte Wilhelm von Echtz vor
dem Reichskammergericht, diesmal gegen „Adam Vorst,
Düren". Worum es in diesem Prozeß ging, ist nicht
ersichtlich.
Der streitlustige Wilhelm von Echtz muß zu dieser Zeit schon
betagt gewesen und gegen Mitte des 16. Jh gestorben sein,
denn 1550 tritt sein Sohn „Franz von Echtz als Erbe
des Wilhelm von Echtz, (Birkesdorf)" als Kläger vor dem
Reichskammergericht auf. Der Sohn hat die Prozeßfreudigkeit
von seinem Vater geerbt. Franz von Echtz klagt gegen
„Catharina Clöcker, Witwe des Johann J.
Clöcker auf Zahlung der Gülten aus einem auf den
Schatz zu Pier sprechenden Rent-Brief mit jährlich
33 Fl (= Gulden) aufgrund des
Testaments ihres Ehemannes".
Zwei weitere Mitglieder dieser Familie, "Walter und Johann von Echtz u.
cons als Erben des Peter Scholtiss" klagen 1563
beim Reichskammergericht gegen „Bernhard von Meirode, genannt
Wahraus (Schloß Stockem)" wegen einer
„Erbstreitigkeit über die im Lande Jülich
belegene Nachlass-Stücke". Der Prozeß war in der 2. Instanz
beim Schöffengericht Aachen anhängig gewesen.
Verwendete
Literatur:
L. Freiin von Coels:
Die Aachener Schöffen,
Zeitschrift des Aachener
Geschichtsvereins, Bd. 50, S.
13- 17
Schwabe: Der Aachener Oberhof, Zeitschrift der Aachener
Geschichtsvereins, Bd. 48/49, S. 72, 74
Veltmann: Zeitschrift des
Aachener Geschichtsvereins, Bd.
18, S. 139, 178; Bd.
20, S. 51